Konstruktive Veränderung erwünscht, doch wo beginnt diese?

Angelika WOHOFSKY
4 min readFeb 9, 2021

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Man braucht nur einen Purpose, und dann wird sich der Erfolg (von selbst) einstellen. Die Krise muss bekämpft werden, mit allen Mitteln, dann wird man sie überstehen. Noch mehr Technologie gehört in die Firma, so meistern wir die Digitalisierung. Also her mit den neuen Tools!

Ich denke, solche Statements zeugen von einem unbändigen Wunsch nach Kontrolle übers eigene Leben und Schicksal. Eine Art Überreaktion auf die aktuelle Lebenssituation, auf die Krise im Betrieb.

Man meint, mit noch mehr Aktivität wird man das Ruder herumreißen. Dabei ist dieses Übermaß an Aktivitäten eine Form von Widerstand, weil die aktuelle Lage nicht als solche akzeptiert werden will. Wir verlieren uns in unrealistischen Wünschen und damit die Bodenhaftung für das jetzt absolut Notwendige.

Erste Reaktion — noch mehr, noch höher

Dabei löst diese Hyperaktivität nicht die Ursache des Problems. Mit den bisherigen Strategien und Mitteln mit noch mehr Einsatz und Aufwand weiterzutun, als gäbe es kein Corona, verstärkt nur die Krise.

Selbst wenn Sie jetzt einen Purpose entwickeln, wird dieser von zwanghaftem Kopfkino (=Erfolgsdenken) bestimmt. Sie werden nie einen für Sie stimmigen Purpose aus einer Zwangssituation heraus erkennen können. Das gelingt nur im Stadium von Ruhe und Fokus.

Ihre Urmotivation zu arbeiten ist nur echt, wenn Sie scheinbar spontan am Esstisch ausgesprochen wird. Wenn sie einem leicht über die Lippen kommt. Wenn ihr aber ein erzwungenes Nachdenken vorauseilt, dann ist dieser Purpose nur Teil des Kopfkinos, das zu 99 % fremdbestimmt abläuft. Man tut es nicht für sich, man tut’s nur für andere. In Krisenzeiten fällt es uns leichter, diesen Unterschied zu erkennen.

Ehrlich sein

Hören Sie also auf, anderen Menschen und sich selbst etwas vorzumachen. Werden Sie ehrlich zu sich. Wenn sie nur genau hinsehen, werden Sie die ursprüngliche Motivation, heute diesen Job zu tun, als Roten Faden, der sich durch ihr gesamtes bisheriges Leben gezogen hat, erkennen.

Um das zu tun, brauchen Sie Ruhe. Hören Sie auf, noch länger auf ein totes Pferd einzuprügeln, das sowieso nie wieder aufstehen wird. Die Welt nach der Krise wird nicht mehr so aussehen, wie vor Corona. Das ist gewiss. Oder kennen Sie ein Beispiel aus der Geschichte, dass man nach einer der großen Krisen des 20. Jahrhunderts wirtschaftlich dort fortsetzte, wo man vor der Krise stand? Krisen werden nämlich immer auch von einem massiven Technologieschub begleitet. Bedenken Sie diesen Nebeneffekt von Krise.

Den Ist-Stand erkennen

Beginnen Sie stattdessen mit einer Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes. Ich kann Sie nur darin ermuntern, jetzt neben dem wirtschaftlichen Aufräumen in Ihrem Unternehmen, sich auch um eine Phase kritischer Selbstreflexion zu kümmern. Nehmen Sie dafür Beratung und Coaching an. Eine professionelle Begleitung erleichtert die Selbstreflexion.

Überprüfen Sie auch Ihr Geschäftsmodell. Achten Sie dabei auf die Veränderung Ihrer Branche, die durch die Digitalisierung schon längst passiert. Anerkennen Sie diese Veränderung als Situation, die Sie nicht mehr rückgängig machen können. Auf die Sie keinerlei Einfluss haben, weil sie außerhalb Ihres Einflussbereichs stattfindet. Seien Sie also radikal ehrlich zu sich und Ihrer Branche.

Beispielsweise hilft es einem Trainer in der Erwachsenenbildung nichts, wenn er sich dem Trend zu digitalem Lernen verschließt. Nur weil man früher so gut von Präsenztrainings leben konnte, heißt das nicht, dass Präsenztrainings nach Corona wieder en vogue werden.

Ermitteln Sie den technologischen Stand der Digitalisierung Ihres Unternehmens. Informieren Sie sich, was alles am Geschäftsprozess für Ihr Arbeitsgebiet digitalisiert werden kann. Welche Bereiche für Ihr Unternehmen Sinn machen, wo Sie in Weiterbildung investieren müssen, um Ihren Kunden den Zugang zu Ihrem Produkt zu erleichtern.

Konstruktive verändern mit Fokus

Ich rate Unternehmen, die jetzt wirklich nicht mehr weiterwissen, zu folgenden drei Schritten am Beginn ihrer Veränderungsphase:

  1. Stehen Sie dazu, dass sich die aktuelle Situation nicht ändern lässt, dass Sie damit jetzt leben und umgehen müssen. Stehen Sie auch zu den tatsächlichen Kennzahlen Ihres Unternehmens. Je früher Sie sich mit diesen abfinden, umso schneller kommen Sie in Gang. Berücksichtigen Sie wirklich alle Kennzahlen, vom Umsatz, Deckungsbeitrag über den Kundenwert bis hin zu den KPIs der digitalen Reputation (Webseitenzugriffen, Grad der Kundenbewertungen,…).
  2. Legen Sie ein primäres Ziel fest, das den wirtschaftlichen Fortbestand Ihres Unternehmens sichert. Das kann auch bedeuten, durch ein Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren zu gehen, weil dieses einen geordneten Neustart leichter möglich macht. Motto: “Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.” Sie beweisen damit Handlungskompetenz und Verantwortung.
  3. Beginnen Sie, ein digitales Geschäftsmodell für Ihre Produkte zu entwerfen. Stellen Sie sich den Veränderungen Ihrer Branche, die durch die Digitalisierung schon in Gang gesetzt sind. Passen Sie Ihr Unternehmenskonzept an die Anforderungen der Digitalisierung an. Und berücksichtigen Sie dabei auch die Produktentwicklung Ihres Betriebs.

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Angelika WOHOFSKY
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Written by Angelika WOHOFSKY

Überall dort zuhause, wo Wissen über digitale Kommunikation vermittelt werden soll; für Hochschulen und Fachverlage im Einsatz.

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