Schmied oder Schmiedl?
Wen ziehen Sie vor, wenn es gilt, ein Problem zu lösen? Nachweislicher Experte oder den Wunderwuzzi? Und wie steht es um die eigenen Kompetenzen in Sachen Digitaler Kommunikation?
Viel zu oft erlebe ich in der Praxis, dass sich hinter angeblicher Expertise nur ein geschicktes Selbstmarketing versteckt. Traurig stimmt mich dabei der so entstandene Schaden beim Kunden, der durch eigene Selbstüberschätzung und hoffnungslos überzogene Erwartungshaltung zustande kommt. Schließlich will man sich nicht die Blöße geben, von der Materie nichts zu verstehen. Auch wenn das bedeutet, dass man selbst noch nie über eine digitale Strategie nachgedacht hat.
So steckt hinter so manchem Berater oder Lösungsanbieter nur ein Konvolut aus Bauernschläue und gezielt eingesetzten Buzzwords. Da werden Leistungen verkauft, die bei näherem Hinsehen in die Rubrik einer Eier legenden Wollmilchsau fallen. Ist der Auftraggeber ebenfalls in diesem Mindset unterwegs, zieht er die Wollmilchsäue dann auch regelrecht an.
Mein Rat: Gehen sie zum Schmied und nicht zum Schmiedl! Und lernen Sie die Grundlagen des Faches. Das ist übrigens Ihre verdammte Pflicht als Unternehmensinhaber, um realistisch machbare Entscheidungen zu treffen und in weiterer Folge Kosten zu sparen.
Expertise statt Wunderwuzzi
Expertise erkennt man halt nur an den Ergebnissen bereits geleisteter Arbeit oder an ihrer unaufgeregten Darstellung. Nicht jedoch an vollmundigen Versprechungen, alles möglich zu machen, was der Kunde wünscht. Das funktioniert schon allein aufgrund der Vielfalt der über 30 Fachrollen in der Kommunikationsbranche nicht. Und schon gar nicht, wenn der Auftraggeber Bereiche outsourced, mit denen er sich nicht beschäftigen möchte; weil zu kompliziert, zu anstrengend oder einfach unsympathisch.
Manch Expertise lässt sich aber zertifizieren. Also würde ich bei Bedarf an Google Ads nur zu Google zertifizierten Agenturen gehen. Gleiches gilt für die Beratung in Socialmedia und Online Marketing. Auch dafür gibt es eigene Zertifikate, die sich der Auftraggeber vorlegen lassen sollte, bevor er einen Auftrag vergibt.
Ein solches bodenständiges Vorgehen erfordert vom Kunden ein gewisses Maß an Grundlagenverständnis im Fach selbst. Oder, wenn dies nicht vorhanden ist, sollte man sich dafür zertifizierte Fachberatung hinzuholen. Sonst passiert es allzu leicht, dass viele Tausend Euro in den Sand gesetzt werden, weil man sich blenden ließ.
Wer über einen Mangel an Informationen verfügt, trifft nachweislich falsche Entscheidungen. Wer sich nicht entscheiden kann, zeigt damit, noch zuwenig Infos zu haben.
Beispiele von solch verunglückten Kommunikations- und Webprojekten, die auf mangelnde Strategie und einen Mangel an Realismus der Möglichkeiten basieren, sind:
Die Firma Lidl verpulverte eine halbe Milliarde Euro für ihr neues Warenwirtschaftssystem “Elwis”. Die Konzernerwartungen waren viel zu hoch geschraubt. Man unterstellte SAP, alles zu realisieren, was denkbar sei.
Es geht auch günstiger. Ein klassisches Mittelstandsunternehmen verpulverte mangels Klarheit zu den eigenen Zielen und vorhandenen Möglichkeiten rund 50.000 Euro für eine Webseite, da sich das Warenwirtschaftssystem in diese nur mangelhaft integrieren ließ. Ein zweiter Website-Relaunch kostete ebenfalls diese Summe, wobei die hauseigenen Kompetenzen maßlos überschätzt wurden und sich das ERP-System nicht wirklich in den Online-Shop integrieren ließ. Wieder einmal wurde den Entscheidern der Himmel versprochen, ohne auf den Gewittersturm zu verweisen. Flapsig setzte man 100.000 Euro im Vorbeigehen in den Sand.
Ein klassischer Mittelständler entscheidet sich spontan für eine stärkere Online-Sichtbarkeit mittels Firmenblog und Socialmedia-Engagement. Investiert drei Jahresgehälter in dieses Projekt um nach Ausscheiden dieses Mitarbeiters sämtliche Bloginhalte unwiderruflich zu löschen und mit extrem werblichem Content zu ersetzen. Dabei weiß heute jeder in der Branche, dass klassische Werbung jeden guten Content vernichtet und jedes strategische Content Marketing nur langfristig Ergebnisse erzielen kann. Summe der Jahresgehälter brutto: rund 147.000 Euro.
Klassischer Gewerbebetrieb bezahlt 10.000 Euro für eine Webseite, die nicht mehr leistet als eine einfache auf WordPress realisierbare Page für rund 2.500 Euro.
Klassischer Gewerbebetrieb greift aus “Unlust” sich mit dem Thema der eigenen Webpräsenz zu beschäftigen zu einem Webseiten-Anbieter mit inkludiertem Eintrag in einem Branchenverzeichnis. Der Vertrag hat eine sechsjährige Bindung für eine Jahresgebühr von 2.000 Euro. Der Gewerbebetrieb kam aus dem Vertrag nicht mehr heraus und zahlte bis zu seinem Auslaufen (selbst dessen Kündigung verursachte Probleme) 12.000 Euro für eine Webpräsenz, die keine 1.000 Euro wert ist. Dieses Geld fehlte danach für die Anschaffung eines neuen Firmenfahrzeugs.
Was ich damit sagen möchte: Setzen Sie sich mit der digitalen Sichtbarkeit und digitalen Geschäftsprozessen unbedingt in den Grundlagen auseinander. Holen Sie den Schmied dazu in die Firma, nämlich für die Fachbereiche zertifizierte Berater und, wenn es gar nicht anders geht, dann auch ein externes Projektmanagement.
Übrigens, in Krisenzeiten bietet es sich an, diese Fehler zu beseitigen und Ordnung in die Materie zu bringen. Das ist #krisemeistern, mit dem sich die #zukunftgestalten lässt.