Was bringt uns die Zukunft?
Zum Jahreswechsel haben Astrologen Hochkonjunktur. Auch Zukunftsforscher riskieren alljährlich mit mehr oder weniger hohem Erfolg einen Blick auf die Trends.
Vergleiche ich v.a. die Aussagen der Letzteren, die sie in all den Jahren getätigt haben, bleibt unterm Strich nur eines zu sagen:
Ihr müsst digitalisieren. Ihr müsst eure Geschäftsmodelle auf die längst schon vorhandene digitale Welt da draußen abstimmen.
Vielleicht kommt nun doch Schwung ins Digitale? Denn die Wirtschaftsastrologen (ja, auch so etwas gibt es!) sehen einen digitalen Hurricane am Firmament heraufziehen.
Den erkenne ich auch, ganz ohne Astrologie. Ich brauche dafür nur den Blick auf die Großen Fünf zu werfen: auf Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft. Die Journalistin Alexandra Borchardt bezeichnet diese Techkonzerne als Milliarden schwere “moderne Weltmächte”. Und Scott Galloway, Marketingprofessor an der New York University, erklärt die Dominanz von GAFA damit, dass die Geschäftsmodelle von Google, Amazon, Facebook und Apple an die Urinstinkte des Menschen appellieren. Galloway sagt: Google ist Gott, Facebook sei Liebe, Amazon stehe für Konsum und das Glück des Besitzenden und Apple sei schlichtweg ein Symbol dafür, es geschafft zu haben. Ein Symbol für Reichtum, Erfolg und hohem Sexappeal. Apple sei Sex, spitz formuliert nach Galloway.
Auch schlich sich Google schon vor Corona mit seiner “G Suite for Education” und dem “Classroom” in die amerikanischen Klassenzimmer. In Zeiten des Distance Learning und des erzwungenen Homeoffice konnte man mit Microsoft gemeinsam quasi in alle Lebensbereiche der Menschen vordringen. Und wer über eine derartige Dominanz am Markt verfügt, diktiert dann auch bald die Inhalte (Lehrpläne?), die mit diesen Technologien vermittelt werden.
Was die meisten von uns nämlich vergessen, die Großen Fünf sind neoliberal, turbokapitalistisch sozialisiert. Sie kommen ja alle aus dem Silicon Valley. Und so steckt hinter den Bemühungen von Google, Amazon, Facebook und Konsorten keinesfalls gelebter Altruismus. Vielmehr steckt dahinter die Förderung nach “Gutsherrenart”, die die Freiheit dem Individuum nicht anerkennt und die eigene Macht über dieses auch nicht abzugeben erwägt. Gutsherren wollen geliebt werden und das geschieht durch ihre Kunden, schreibt Borchardt.
“Es ist auch kein Geheimnis, dass das Top-Management der großen Tech-Konzerne die Kompetenz von Regierungen anzweifelt, die Probleme dieser Welt zu lösen.” — Borchardt, S.136.
Die Angst vor der Übermacht
Und was hat die Mehrheit unserer kleinstrukturierten Unternehmerlandschaft den GAFA und Microsoft entgegenzuhalten? Nichts bis wenig. Die meisten Volkswirtschaften gehen in Deckung, und der kleine Unternehmer kauft am Ende des Tages das neue Spielzeug für die eigenen Sprösslinge erst recht wieder bei Amazon. Weil man dort ja auch noch schnell mal die neueste Drohne mitgeliefert bekommt.
Dabei kann Europa Antworten liefern.
Mit den strengen Datenschutzkritierien fordert man die Datensauger Google und Facebook bereits heraus (siehe die Klagen des österreichischen Juristen Markus Schrems). Eine andere Antwort wäre das steirische Online-Shop-Modell der Niceshops, welches auf digitalisierte Regionalität setzt und 2020 den Umsatz durch die Decke gehen ließ.
Radikale Digitalisierung ist die einzig sichere Zukunftsprognose
Genauso werden in den kommenden Jahren neue Plattformen entstehen, die die regionale Wirtschaft untereinander vernetzen; soviel zum Titel “Was bringt uns die Zukunft?”. Sie bringt uns nämlich eine radikale und teils erzwungene Digitalisierung auf allen Ebenen.
Wer jetzt arbeitslos wurde, dessen Job läuft Gefahr, nach Corona aufgrund der engen finanziellen Spielräume digitalisiert zu werden. Dieser Job geht damit für immer verloren.
Angesichts des GAFA-Kraken, einer Pandemie oder der durch Corona ins Hintertreffen geratenen (noch immer vorhandenen) Klimakrise, Finanzkrise, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Branchenkrisen in Schockstarre zu verharren, kann keine Antwort auf die digitale Transformation unser aller Lebenskonzepte sein.
Angst hat noch nie vernünftige Entscheidungen hervorgebracht. Stattdessen gilt es, die Realität als solche zu akzeptieren und die Ärmel aufzukrempeln. Akzeptanz, dass wir uns alle (global) in einer umfassenden Systemkrise befinden, ist der erste Schritt zu ihrer Bewältigung. Die Lösung dieser umfassenden Krise geht nur gemeinsam und darf niemals den Großen Fünf überlassen werden.
So geht #krisemeistern.
Lesetipp:
Alexandra Borchardt: Mensch 4.0. Frei bleiben in einer digitalen Welt. Gütersloher Verlagshaus 2018.