Wenn die Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit die User ins Clubhouse treibt.
Aktuell geht ja der nächste Socialmedia-Hype (man möchte meinen) durch die Decke. Clubhouse erobert die “Herzen” all jener, die sich bedeutende fühlen (wollen). Als ausgewähltes Mitglied in einem Club von Podcastern, die einander zuhören und digital kommunizieren.
Auf LinkedIn tauchen immer mehr User auf, die stolz einen Screenshot ihres Clubhouse-Profils präsentieren und fleißig betonen, man müsse dazu eingeladen werden. Clubhouse sei ein Club Ausgewählter, nichts für die breite Masse und eine App, die aktuell nur auf Apple läuft.
“Clubhouse — Wie komme ich dort rein?”
Aus kommunikationspsychologischer Sicht lese ich aus solchen Aussagen den Wunsch heraus, der eigenen Person noch ein wenig mehr Bedeutung zu verleihen, vielleicht aus der Not der Krise heraus, weil die Jobs rar geworden sind und die vielen Einzelkämpfer in der Masse verschwinden.
Wir bewegen uns bei Clubhouse auf der Selbstoffenbarungsebene, die den anderen zeigen möchte, dass man jemand sei. Jemand ausgewählter. Jemand, der (noch) etwas zu sagen hat, (noch) einen Job hat und bedeutungsvoll ist. Oder, der sich einfach mit der Weltprominenz an einen Tisch im Club-Room setzen möchte. Zeigen, wer man ist.
Machtansprüche und Machtfantasien?
Auf gesellschaftlicher Ebene, und da werfe ich jetzt den soziologischen Blick aufs Phänomen, spalten sich die Ausgewählten durch ihr Clubhouse-Profil vom Rest der Masse ab. Weil sie “etwas zu sagen haben”, oder es zumindest von sich glauben.
Und man auf “Clubhouse” unter sich bleibt, frei von Moderation und Regeln, sieht man davon ab, dass sämtliche Gespräche von Clubhouse aufgezeichnet werden, um Verstöße gegen “Community Guidelines” zu ahnden.
Risikokapital aus dem Silicon Valley
Hinter Clubhouse steht übrigens die Andreessen-Horowitz Venture Capital die als Risikokapitalgeber auch bei Twitter engagiert war.
Marc Andreessen selbst postete, so die NYTimes schon am 19. Mai 2020 (!), es sei jetzt “Time to Build” für ein “reboot the American Dream”. Rund 12 Millionen Dollar spendierten die Kapitalgeber den App-Gründern Paul Davison (Tech-Unternehmer im Silicon Valley) und Rohan Seth (Ex-Mitarbeiter von Google) für diese exklusive Plattform schon im Mai 2020.
Und wie wir alle wissen, wird nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit im Silicon Valley investiert. Sondern nur, weil dahinter das Big Business stehen könnte und ein weiterer Touchpoint für die Macht über Daten.
Ein Club der weißen Männer?
Dabei sagt schon der Name “Clubhouse” viel über die eigentliche Motivation dieses Sozialen Netzwerks, das als exclusive App für Apple-Nutzer daherkommt. Vorausgesetzt, Sie verstehen Kommunikation unter dem linguistischen Aspekt der Sapir-Whorf-Hypothese. Nach ihr formt die Sprache das Denken der Menschen, sodass sich hinter Sprache auch eine Weltsicht versteckt; mit dem Spracherwerb auch die dahinter stehende Weltsicht erworben wird. — siehe dazu die Entstehung von Sprache, beschrieben in “COMMUNICATIONS”.
Wer “Clubhouse” sein will, drückt damit indirekt aus, etwas Besonderes zu sein.
Jemand von Bedeutung, höher gestellt in der Gesellschaft und keinesfalls die Masse. Zudem entspringt das Clubdenken einer patriarchalen Weltsicht und repräsentiert eine Institution des Weißen Mannes mit Herrschaftsanspruch. Siehe dazu die Clubhäuser und ihre Salonkultur, die ihren Ausdruck an den angesagtesten Universitäten der westlich-europäisch-anglikanischen Welt fand. Von hier aus wollte (will) man die Welt regieren. Das ist Elitedenken und kapitalistischer Liberalismus in sich vereint.
Socialcredits, Macht, Kontrolle?
Stellen Sie sich vor, eine Einladung ins Clubhouse wäre Teil der sozialen Kontrolle, eines Socialcredit-Systems, das sich eben erst etabliert.
Stellen Sie sich vor, innerhalb des Clubhouse diskutieren die User kontroll- und regelbefreit über alles, was ihnen in den Sinn kommt. Und sie schließen dabei unliebsame Störer einfach aus. Sie wissen so auch, wer potenziell stört, weil sie Daten der Störer sammeln.
Stellen Sie sich vor, Clubhouse schaukelt sich zu einer “Social Bubble” der neuen Meinungsführer auf, die im Hinterzimmer (Clubhouse-Room) einen Plan für die Welt entwerfen.
Wir brauchen einen kritischen Blick und einen sozialkritischen, öffentlichen Diskurs auf Socialmedia-Plattformen und allen zukünftigen Ideen der Tech-Giganten.
Wenig sozial, mehr Elite, noch mehr Mann
Clubhouse ist kein soziales Netzwerk. Es ist der Versuch, einen Elite-Club im Web zu bilden und mit diesem der toxischen Männlichkeit ein Sprachrohr zu verleihen. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis digitale Männerclubs im traditionell-konservativen Sinn entstehen. Die Frauen, die jetzt bei Clubhouse aufgenommen sind, sehe ich als dekoratives Beiwerk, das zur Verschleierung der wahren Gesinnung dahinter dient. Denn eines wissen wir: die Millennial Generation kann extrem patriarchal, rückschrittlich konservativ und chauvinistisch daherkommen (die Männer rund um Clubhouse sind Millennials!).
Clubhouse ist wie Twitter, nur mit Ton und vereint die Reichen, Schönen und Bedeutungsvollen dieser Welt. Zählt es doch hauptsächlich (so schreibt der Businessinsider) die Tech-Avantgarde Kaliforniens zu seinen Mitgliedern, die für ihre Allmachtsfantasien in der jüngeren Vergangenheit heftig kritisert wurden (siehe ARTE-Doku übers Silicon Valley).
Clubhouse gibt reichen, weißen Männern eine Bühne, das schreibt sogar die konservative NYTimes. Man bleibt auf Clubhouse mit Meinungen unter sich und öffnet damit manipulierenden Ideologien Tür und Tor.
Obacht also!
Mehr zum Silicon Valley hier in der ARTE Doku.
Mehr zum Menschen 4.0 im Buch von “Mensch 4.0. Frei bleiben in einer digitalen Welt” von Alexandra Borchardt.